Da Ihr ja in den letzten Blog-Beiträgen immer wieder Bilder von Essen gehen gesehen habt, mag der Eindruck entstehen, dass das hier alles so einfach und unproblematisch mit dem Essen ist; weit gefehlt… Anbei mal ein paar Anschauungsbeispiele, was dabei so alles passieren kann und wie das dann abläuft.
Ganz generell sei noch vorausgeschickt, dass Japan in keinster Weise ein Land für Vegetarier ist. Sprich, wer Gemüse in einer gewissen Vielfalt (und evtl. auch Menge so zusagen als Hauptmahlzeit) mag, sollte doch an ein Exil in Thailand oder Europa nachdenken. Hier ist mann Gurken, Rettich, Tomaten, Kohl, Kürbis, ab und an Bohnen, Karotten, Salat (… no comment …), Spargel (aber eigentlich nur gegrillt) und das war es eigentlich auch schon an frischen Dingen. Es gibt zwar auch Kartoffeln und ein paar andere Sachen, aber das ist schon fast exotisch – ach ja, Zwiebeln und Lauch habe ich vergessen. Das ist zwar das Hauptgemüse, aber für uns eben “off limit”.
Dazu kommt, dass Gemüse nicht nur recht teuer ist (auch im normalen Supermarkt), im Restaurant ist es in einer nicht eingelegten (konservierten) Form (entweder in Salz oder Soße) kaum zu haben und wenn dann eigentlich nur ziemlich zerkocht und mit Soße (Käse…).
Was es dagegen eigentlich immer und in rauen Mengen im Essen (oder zum Essen in Restaurants muss man sagen) gibt ist: Fleisch, Fleisch, Fleisch, Fett, noch mehr Fett, jetzt ganz viel Fett, Fisch (aber erst gebraten, frittiert, in Teig als Tempura und dann als Sushi oder ganz luxuriös als Sashimi). Dazu dann meist eine “Sättigungsbeilage” in Form eines Reisgerichtes oder Nudeln . Der gemein Japaner ist – auch aus Kostengründen und in dieser Reihenfolge absteigend… – in der Regel eigentlich Suppen (Ramen / Soba), Fast-Food (Curry, Hamburger), gebratenes Fleisch in jeglicher Form (nach dem Motte je fetter, desto besser), Fisch, Gemüse. Zumindest sind das so die Erfahrungen, die wir gemacht haben. Das klassische Image der japanischen Küche als leichte Schonkost kann man getrost vergessen
Wer das nächste Mal Sushi essen geht, oute sich doch mal als Insider und bestelle einen gegrillten Fischkopf. Es gibt dann einen halben Kopf, auf dem Grill gebraten und gut mariniert! Schmeckt lecker und ist eine herrliche Sauerei
Sprich der Traum einer jeder gesundheitsbewussten, ballaststoffreichen Küche, welche auch auf Energiemengen achtet
Nun gut, wie sieht also ein klassischer Essenstag bei uns hier in Japan aus?
- Zum Frühstück gibt es meist, da wir im Hotel nicht wirklich das Süßzeug oder den Reisschleim haben wollen, etwas Fisch (Sushi / Sashimi), dazu eingelegtes Gemüse (Rettich, Gurken, Karotten, Wurzeln, Sellerie, etc.) und als leckere Beigabe etwas Mango (oder ähnlich)
- Mittags dann meist im Auto oder unterwegs Sauerkraut und saure Gurken (ja, ich weiß – ist sehr deutsch, schmeckt aber lecker
und ist nicht so “off” im Geschmack wie das japanische Gemüse). Dazu dann noch gerne Gemüse und Trockenfleisch
- Abends, wenn wir nicht essen gehen – was mittlerweile, auch aus Preisgründen, öfter der Fall ist – Sushi / Sashimi, Reisdreieck, Fertigsuppe mit Tofu-Stücken (bei den 7 Eleven lecker zu bekommen). Ist dann warm, recht günstig und schmeckt lecker! Dazu noch Obst und Gemüse. Heute hatten wir allerdings eine frugale Extra-Variante… Wir waren ganz im Osten und haben dann im Fischladen gekauft: King-Crab, Sachalin-Crab, frische Crevetten und Hering-Rogen. Ein Traum! Der pure Genuss!!
- Wenn wir essen gehen, dann natürlich das, worauf wir Lust haben, meist aber Fleisch oder Fisch
Nudeln gibt es eigentlich nur Mittags.
In Kushiro (unserem aktuellen Standort) kann man die klassische Essenssuche einmal dokumentieren:
Man wandert durch die Stadt (den Teil, der das “Zentrum” ist) und sucht sich attraktive Plätze. Den nicht…
Vom Hotel hat man einen Plan mit Empfehlungen – dummerweise auf Japanisch, und wie in Japan üblich nicht nordweisend, sondern immer in “Laufrichtung” (das ist auch bei allen Karten so – viel Spaß beim orientieren ).
Jetzt gilt es dann die Schriftzeichen mit den Zeichen an den Häusern und den Schildern davor zu vergleichen…
Manchmal bekommt man aber auch auf Rückfrage (wenn einen jemand versteht…) Empfehlungen wie das oben in der Karte handschriftlich eingetragene “KURABAR”. Das sucht man dann, und sucht, und sucht… Schließlich fällt einem auf, dass, wenn man “Crabber” als Japaner zu Hiragana (was meist für lateinische Zeichen ausländischer Namen zur Transkription verwendet wird) wandelt und dann zurück nach “Romanji” (so heißt lateinische Schrift auf Japanisch), dann kommt dann eben “Kurabar” heraus – so wird auch Englisch gesprochen… Mit diesem Wissen findet man dann das Restaurant recht schnell
Ob es allerdings der Platz ist, wo man einen gemütlichen Abend verbringen möchte sei dahin gestellt… Wir haben anderweitig entschieden!
Also geht die Suche weiter – man orientiert sich an den Dekos in den Schaufenstern:
Oder am Menü
und bestellt dann. Was bei uns (ehrlich!) vor 2 Tagen herauskam war (alles zwar kleine Portionen, aber der Inhalt – war lecker, aber nicht genauer darüber nachdenken ):
- Suppe mit Gemüse und Speiseröhre vom Schwein
- Angebratene Knorpelstücke der Ente in Entenfett
- Zunge angebraten und süß- sauer mariniert
- Kammmuschel und Seeschnecke
- Röhrenwürmer in brauner Soße – der Teil hat Ursi fast den Rest bereitet, da die Dinger ca. 5 cm lang sind, auf beiden Seiten offen und in der Mitte weich gefüllt… – lecker!)
Also dann gestern Abend weniger Experiment, mehr gezielte Suche. Also auf zur Empfehlung – ein uriges Restaurant – wie immer bei den Plätzen gilt: wenn man sich eigentlich nicht traut rein zu gehen, dann ist es wohl am besten
Innen dann noch uriger – 57 Jahre ist das Haus alt (ohne Renovierung…). Auf jeden Fall braucht die Decke keinen Anstrich oder Isolation
Alle sitzen rund um den Grill (das ist dann eine Robataya)
Und Oma bereitet das Essen
Als es dann ruhiger wurde wirkt der Raum auch größer…
Erstaunlicherweise war dies das Restaurant, wo am besten Englisch gesprochen wurde. Neben uns waren 2 Architekten (Vater + Sohn) – beides Japaner – die uns dann auf Sake und ein Sondergericht des Hauses (geschichtetes Omelett) eingeladen haben. Sehr, sehr nett!
Auf dem Weg danach zurück haben wir noch etwas Stimmung dieser halbtoten Stadt mitbekommen – fast schon Zombie-like
Men in Black
Straßenmusik gibt es überall auf der Welt
Auf dem Weg zum Viertel hatten wir allerdings auch noch ein paar nette Momente bei einem Zeichenladen mit Pinselspielzeug (man steckt den Pinsel auf den Finger und malt mit Wasser). Ein Super-Spaß:
Nur Wasser auf Seidenpapier:
Im Laden mussten wir dann noch die süßen Kärtchen bewundern
Wirklich, ich würde da binnen einer Woche verhungern, Sabine wäre wahrscheinlich aus ästhetischen (und zzgl. der Zutaten) Gründen schon ein bis zwei Tage früher tot 🙂
Wir haben einen neuen Wert eingeführt „MOO“ (Measure of Otherness). MOO 1 = Europäisch, MOO 10 = Pure Japan… Vieles ist aktuell MOO 7..8 -> aber ab MOO 8 essen wir auch nicht mehr. MOO 10 ist dann so etwas wie saure Pflaumen in Essig mit Zucker und Sojasoße (grausam). Gewisse Schnecken und Muscheln sind auch MOO 6..8 und dann grenzwertig 😉 Aber es gibt ja Sauerkraut, Gurken und Suppen 🙂
Alles Liebe Michi + Ursi